Oberbürgermeister Nitzsche hat sein Amt schwer beschädigt

Lutz Liebscher (MdL)

„Hochgradig irritiert“ zeigt sich Jenas SPD-Chef und Landtagsabgeordneter Lutz Liebscher angesichts der Äußerungen des Jenaer Oberbürgermeisters zur gestrigen Kemmerich-Wahl: Unmittelbar nach der Wahl hatte sich der Oberbürgermeister nicht nur „hocherfreut“ über die Wahl Kemmerichs gezeigt, sondern ihm für diesen Schritt gar gedankt, da damit auch ein Kandidat der Mitte wählbar gewesen sei. „Wer mit den Stimmen der Höcke-AfD an die Macht kommt, ist kein Kandidat der Mitte, sondern ein anstandsloser Zocker, der den Konsens aller demokratischen Parteien gebrochen hat und dem Ruf Thüringens nachhaltig beschädigt hat.“, so Liebscher. „Mit seiner unreflektierten Sicht hat Nitzsche dem internationalen Wirtschafts- und Studienstandort Jena, aber auch dem Amt des Oberbürgermeisters, erheblichen Schaden zugefügt. Nicht sehen zu wollen oder zu können, dass das ins-Amt-hieven mit Stimmen der Höcke-AfD 75 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus kein normaler Vorgang ist, über den man sich „hocherfreulich“ zeigt, ist besorgniserregend.“ Dankbar zeigte sich Liebscher angesichts der zahlreichen Demonstrationen und Verlautbarungen aus der Jenaer Wirtschaft wie Zivilgesellschaft, die als Teil der bundesweiten Empörung heute zum Rücktritt Kemmerichs geführt haben. „Die Lage so dermaßen falsch einzuschätzen, wie es der Oberbürgermeister mit seinem gestrigen Jubelpost getan hat, lässt begründete Zweifel aufkommen, ob Stadtbevölkerung und Stadtoberhaupt noch in die gleiche Richtung laufen“, so Liebscher. Und weiter: „Am Ende sind Jenaer Wirtschaftsunternehmen die Leidtragenden, obwohl sie nichts dafür können: Die Demonstration vor dem ZEISS-Jahresempfang ist nach dem Kemmerich-Rückzug maßgeblich von Kritik an Nitzsches Stellungnahme getragen“.

Hintergrund:

Nur einen Tag, nachdem sich FDP-Mann Kemmerich in einem abgekarteten Spiel mit den Stimmen der CDU und der Flügel-AfD unter der Führung des Faschisten Björn Höcke im Thüringer Landtag zum Ministerpräsidenten wählen ließ, ist dieses Kapitel wieder Geschichte. Das bundesweite Entsetzen über den Bruch der Mauer zu den Rechtsextremen hat dazu geführt, dass Herr Kemmerich heute den Rückzug vom Amt des Ministerpräsidenten angekündigt hat; zudem will er Neuwahlen (§50 der Thüringer Verfassung) auf den Weg bringen. „Nach dem eklatanten Vertrauensbruch von CDU und FDP gegenüber ihren Wählerinnen und Wählern und insbesondere auch bezüglich der parlamentarischen Zusammenarbeit hat sich der SPD Landesvorstand bereits am Mittwochabend für Neuwahlen ausgesprochen“, so Liebscher. Der Antrag auf Neuwahlen muss von mindestens 30 Abgeordneten des Thüringer Landtags unterzeichnet sein, bevor er dann binnen maximal 30 Tagen abgestimmt werden muss. Der Landtag ist aufgelöst, wenn mindestens 2/3 der Abgeordneten, also 60, dem folgen. Die Neuwahl muss dann binnen 70 Tagen erfolgen. Die Verlautbarungen der CDU Thüringen, sich gegen Neuwahlen zu stellen, kritisiert Liebscher deutlich: „Seit der Landtagswahl taumelt die CDU wie ein angeschlagener Boxer durch den Ring, nach der gestrigen Farce sind Neuwahlen der einzige Weg, den entstandenen Schaden schnell zu korrigieren. Auch die Parteibasis der CDU in Jena ist nun gefordert, innerparteilich das Wort zu erheben, um weiteren Schaden von unserer Demokratie und auch von der CDU selbst abzuwenden.“